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Schienenausbau per Gesetz: Irrweg oder Überholspur?

Future
Berlin – 17. Februar 2020

Im Grunde herrscht Einigkeit zum Thema Planungsbeschleunigung: Effizienter soll sie werden, damit Infrastrukturen für umweltfreundliche Verkehrsträger schnell aufgebaut und die Klimaziele erreicht werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat Ende Januar einen entsprechenden Gesetzentwurf durch den Bundestag gebracht – mit geteiltem Echo.

Das Investitionsmaßnahmegesetz zur Genehmigung der Südumfahrung Stendal vom Juli 1996 ist bislang einzigartig in der Geschichte in der Bundesrepublik. Keinem zweiten Schienenausbauprojekt blieb ein langwieriger Verwaltungsakt erspart. Damals stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Durchführung einer behördlichen Planfeststellung für das Vorhaben ein erheblicher Nachteil für das Gemeinwohl sei und beschloss die Umsetzung des Vorhabens direkt per Gesetz. Ein Planfeststellungsverfahren mit breiter öffentlicher Beteiligung und zahlreichen Einwendungsmöglichkeiten wurde auf diesem Wege umgangen. In der Begründung hieß es, dass das Teilstück der Schnellstrecke Hannover-Berlin für den Aufbau der Verkehrsinfrastruktur nach der deutschen Einheit und damit für den Aufbau der Wirtschaft in den neuen Ländern von zentraler Bedeutung sei. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer möchte jetzt – rund zwanzig Jahre später – sieben wichtige umweltfreundliche Schienen- und fünf Wasserstraßenprojekte sowie ausgewählte Ersatzneubauten auf die gleiche Überholspur bringen. Am 31.01.2020 hat der Bundestag einer entsprechenden Gesetzesvorlage zur Planungsbeschleunigung zugestimmt. „Wir wollen wichtige umweltfreundliche Verkehrsprojekte beschleunigen. Der Bundestag soll sie per Gesetz genehmigen können. Dadurch erhöhen wir die Akzeptanz. Maßnahmen können so schneller geplant und gebaut werden“, erklärt Scheuer.

Lob von der Bauindustrie – Kritik von Umweltverbänden und Juristen


"Wenn wir in Deutschland die anstehenden Aufgaben lösen wollen, müssen wir bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller werden. Es ist deshalb gut, dass Bundesverkehrsminister Scheuer einen weiteren Anlauf nimmt, um die Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen zu beschleunigen," kommentiert Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer der BAUINDUSTRIE, den neuen Gesetzentwurf. Es reiche nicht aus, Mittel für Investitionen zur Verfügung zu stellen – es müsse dann auch möglichst rasch geplant und gebaut werden, so Babiel. Kritik kommt hingegen von Juristen und Umweltverbänden. „Nachdem in der Folge von Stuttgart 21 eine Zeit lang die Verbesserung der Bürgerbeteiligung im Vordergrund der Debatten stand, ist die alte Politik der maximalen Beschleunigung von Infrastrukturprojekten wieder ganz in den Vordergrund getreten“, kritisiert Thomas Groß, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Osnabrück. Der Jurist befürchtet, dass das neue Gesetz den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz und insbesondere die Verbandsklage beseitigen soll. Auch die Umweltorganisationen BUND, NABU, DUH, UVP-Gesellschaft, VCD und der Umweltdachverband DNR zweifeln die Rechtmäßigkeit des Vorstoßes an. „Der Gesetzentwurf hebelt Klagerechte und Rechtsstaatlichkeit aus, führt aber nicht zu einer beschleunigten und verbesserten Planung“, so die Einschätzung der Verbände. Laut dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sind Sorgen und Kritik unbegründet. Auch künftig sollen sämtliche Umweltprüfungen vorgenommen werden – die Öffentlichkeit erhalte zudem weiterhin die Möglichkeit zur frühzeitigen Stellungnahme und Erörterung.

Für welche Projekte gelten die Regelungen?

Sieben Schienenprojekte:

  • Ausbau der Eisenbahnstrecke von München über Mühldorf nach Freilassing,
  • Ausbau der Eisenbahnstrecke von Hof über Marktredwitz und Regensburg nach Obertraubling,
  • Ausbau der Eisenbahnstrecke von Magdeburg nach Halle,
  • Neubau der Kurve von Mönchehof nach Ihringshausen im Rahmen des Ausbaus der Eisenbahnstrecke von Paderborn nach Halle,
  • Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke von Geithain nach Chemnitz im Rahmen des Ausbaus der Eisenbahnstrecke von Leipzig nach Chemnitz,
  • Ausbau der Eisenbahnstrecke von Hannover nach Bielefeld,
  • Ausbau der Eisenbahnstrecke von der Grenze D/NL über Kaldenkirchen, Viersen und Rheydt nach Odenkirchen,
  • Ausbau der Eisenbahnstrecke von Niebüll über Klanxbüll nach Westerland (Marschbahn)

Fünf Wasserstraßenprojekte:

  • Fahrrinnenanpassung der Außenweser,
  • Abladeoptimierung der Fahrrinnen des Mittelrheins,
  • Fahrrinnenvertiefung des Untermains bis Aschaffenburg,
  • Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals sowie
  • Ausbau des Wesel-Datteln-Kanals bis Marl und den Ersatzneubau der „Großen Schleusen" sowie die Brückenhebung bei diesem Ersatzneubau.

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