Position
Berlin – 25. Juni 2020
Nach der Corona-Krise weiter so wie bisher? Keinesfalls. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben gerade noch die Kurve gekriegt – die Mobilitätswende im Visier.
Keine Abwrackprämien für Diesel und Benziner: Mit dieser im Autoland Deutschland durchaus nicht unumstrittenen Entscheidung bei der Vergabe der Konjunkturfördermilliarden hat die Bundesregierung ein Zeichen für mehr Klimaschutz gesetzt, vielleicht sogar eine Wende zugunsten der Mobilitätswende eingeleitet. Und auf einmal ging noch mehr. Nach monatelangem – nichts wirklich voranbringendem – Tauziehen zwischen Umweltministerin Schulze und Wirtschaftsminister Altmaier legte die Groko wenig später auch die Wasserstoffstrategie auf den Tisch. So werden weitere Milliarden fließen: Unter anderem mit dem Ziel, Elektromobilität nicht nur auf Batterie-Basis, sondern alternativ via Brennstoffzelle zu schaffen. Ganz nebenbei sieht die Regierung weltweite Potenziale für den Industriestandort Deutschland – wenn er denn den Technologiesprung schafft, mit grüner Energie preiswert in großem Stil Wasserstoff zu produzieren.
Gut und günstig an Wasserstoff kommen
Für die Mobilität kann das entscheidende Entwicklungen nach sich ziehen. Gerade hat der Bahntechnikkonzern Alstom den mehrjährigen Test mit seinen ersten beiden Brennstoffzellen-Triebwagen im Netz der Elbe-Weser-Bahn erfolgreich abgeschlossen, und nach den Prototypen wird nun die erste Serie gefertigt, für Niedersachsen und den Rhein-Main-Raum. Auch der Bus fährt sauber mit Wasserstoff. Das Unternehmen Regionalverkehr Köln entwickelt sich derzeit zum größten Betreiber von E-Bussen mit Brennstoffzellenantrieb in Europa, die „mobil”-Tochter der Stadtwerke Wuppertal setzt auf dieselbe Technologie mit durchaus serienreifen, aber eben noch sehr teuren Fahrzeugen. Gut und günstig an Wasserstoff zu kommen, ist dabei eine zentrale Frage.
Neue Einheit für den Deutschland-Takt
Frischer Wind weht aber nicht nur von den Regierungsbänken ins Land. Der Ausbau des Schienenverkehrs zum „Deutschland-Takt” gehört zu den ambitionierten verkehrspolitischen Projekten. Vor wenigen Tagen wurde in Frankfurt am Main die Deutschlandtarifverbund GmbH gegründet. Das ist zumindest ein erster Schritt in Richtung Deutschlandtakt: 34 Bahnunternehmen und die Aufgabenträger, die die Regionalisierungsmittel des Bundes für den Schienennahverkehr verteilen, setzen sich künftig an einen Tisch, um ihr letztlich gemeinsames Produkt hinsichtlich Tarifgestaltung, Einnahmeaufteilung und Erschließung der Märkte gemeinsam weiter zu entwickeln. Erklärtermaßen zum Nutzen der Bahnkunden, von denen die Eisenbahnunternehmen ja deutlich mehr gewinnen sollen und wollen.
Straßengüterverkehr einholen
An einem Strang ziehen auch die Partner des Schienengüterverkehrs. Der „Rail Freight Data Hub” soll den digitalen Informationsaustausch zwischen den Akteuren des mitunter schwerfälligen Geschäfts vorantreiben. Klingt mutig: Die Weichen wollen sie stellen für mehr Verkehr, für das „Ein- und Überholen” des Straßengüterverkehrs durch deutliche Produktivitätssteigerungen und die Vernetzung aller Beteiligten. Ausgemacht sind 23 „Use Cases” von der Angebotsgestaltung über die Transportabwicklung und die Güterwagen-Technologie bis hin zu den Werkstätten.
Ob in der Politik oder in der Verkehrsbranche: Endlich wird nicht nur über Geld geredet, endlich gibt es sehr konkrete neue Ansätze für Klimaschutz und Mobilitätswende. Immerhin ein Anfang.
ÜBER DEN AUTOR
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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