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Neue Chance für die Magnetschwebetechnik

Future
Berlin – 17. Juni 2020

Jahrzehntelang stand der Transrapid für eine Zukunftsvision des Reisens. Ein tragischer Unfall auf der Versuchsanlage im Emsland stoppte die Forschung abrupt. In München wird aktuell wieder eine Magnetschwebebahn getestet: eine neue Chance für eine Zukunftstechnik.

„Zehn Minuten“ – bis heute ist die Rede des damaligen bayerischen Ministerpräsident Edmund Stoiber aus dem Jahr 2002 über das Vorhaben, den Münchener Hauptbahnhof und den Flughafen Franz Josef Strauß bei Erding mittels einer Magnetschwebebahn zu verbinden, unvergessen. Modern, schnell und emissionsarm: Der Transrapid stand jahrzehntelang für eine futuristische Vision des Reisens und die Hoffnung, Metropolen binnen kürzester Zeit und CO2-neutral zu verbinden. Debatten über Flugverbote und Klimaerwärmung würden heute womöglich anders geführt, wenn die in Deutschland avisierten Projekte Umsetzung gefunden hätten. Neben der Münchener Flughafenstrecke wurde vor allem die Metropolverbindung Dortmund – Düsseldorf favorisiert, aber auch Strecken zwischen Berlin und Hamburg sowie Hamburg und München standen zur Diskussion.

Vorteile wurden unterschätzt

Die Magnetschwebetechnik konnte sich aufgrund verschiedener Faktoren nie wirklich durchsetzen. „Gehört wurden eher die Gegner von Magnetschwebebahnen, nicht die Befürworter. Die immensen Vorteile, zum Beispiel die geringere Platznotwendigkeit bei Aufständerung der Fahrbahn, die flexible Anordnung von Magnetschwebebahnen zur vorhandenen Infrastruktur und die Kosteneinsparung bei der Wartung durch nicht vorhandene Gleise, wurden immer wieder negiert“, bemängelt Professor Bernd Aschendorf von der FH Dortmund. Im Vergleich zu streckengebunden Fahrzeugen ist die Sicherheit der Magnettechnik ein ausschlaggebender Vorteil. „Was in der Betrachtung oft unterschlagen wird, ist die systemimmanente Sicherheit einer Magnetschwebebahn, da eben die Fahrtrichtung durch das elektrische Wanderfeld vorgegeben wird und die Magnetschwebebahn magnetisch an den Fahrweg gebunden ist“, so der Experte. Die Magnetschwebebahn kann daher – im Gegensatz zum herkömmlichen Schienenfahrzeug – nicht entgleisen.

Das Jahr 2006 kennzeichnete das tragische Ende der vielversprechenden Technik in Deutschland. Wegen eines vergessenen Gerätewagens auf der Transrapid-Teststrecke bei Lathen im Emsland ereignete sich ein Unglück mit mehreren Todesopfern. Alle deutschlandweiten Forschungen und Projekte wurden daraufhin eingestellt, die Teststrecke stillgelegt. In Asien gingen die Forschungen währenddessen weiter. Nachdem China bereits am 31. Dezember 2002 den Transrapid Shanghai auf einer 30 Kilometer langen Teststrecke noch mit deutscher Beteiligung in Betrieb nahm, will die Volksrepublik jetzt die Metropolregionen Guangzhou und Wuhan auf einer 1.000 Kilometer langen Strecke per Magnetbahn verbinden. Der Magnetschwebezug wird nach etwa zwei Jahren Bauzeit laut Hersteller China Railway Rolling Stock Corporation mit einer Spitzengeschwindigkeit von 600 km/h unterwegs sein. Japan testet bereits seit 1997 die „Magnetic Levitation“. 2027 wird dort eine Strecke zwischen Tokio und Nagoya eröffnet, bis 2045 soll die Strecke auf einer Länge von insgesamt 500 Kilometern sogar bis Osaka führen.

Schwierige Grundvoraussetzungen lähmten Bauprojekte

Dass ein Schnellverkehrssystem wie der Transrapid bisher nicht auf europäischem Boden realisiert wurde, liegt nicht nur an dem tragischen Unfall auf der Teststrecke 2006, sondern auch an Transportdimensionen, die erfüllt sein müssen – und die unter anderem dafür verantwortlich waren, dass das Engagement der Politik für geplante Projekte fehlte. Zu diesen Dimensionen gehören eine ausreichende sowie lineare Entfernung – um ein zügiges Beschleinigen zu gewährleisten – und entsprechend freie Trassen. In großen Flächenstaaten wie China sind solche Konzepte möglich. In Europa gestaltet sich die Situation durch die hohe Siedlungsdichte und die geringen Entfernungen zwischen den Metropolen sowie durch zahlreiche nicht bebaubare Landschafts- und Naturschutzgebiete schwieriger. Hinzu kommen die Hürden durch Planungs- und Beteiligungsverfahren – besonders auf internationaler Ebene.

Magnetschwebebahn im Nahverkehrsbereich

Aber die Innovation lebt in Deutschland neu auf: Heute – 18 Jahre nach Edmund Stoibers legendärer Rede – soll wieder eine Magnetschwebebahn am Münchener Flughafen fahren. Dabei handelt es sich vorerst um eine Testphase. Die Bundesregierung unterstützt im aktuellen Haushalt für optimierte Magnetschwebetechnik im Nahverkehrsbereich das Vorhaben mit insgesamt vier Millionen Euro. Parallel dazu wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die die Vorteile der Technologie erneut unter die Lupe nimmt. „Wir wollen untersuchen, welches technische, wirtschaftliche und ökologische Potenzial die Technologie auch im Vergleich zu anderen Transportmitteln nicht nur am Münchner Flughafen hat", so Verkehrsminister Andreas Scheuer. Die Studie gliedert sich in zwei Teile. Im ersten geht es laut Bundesverkehrsministerium um die Potenziale der Technologie. Im zweiten Teil wird sie sich sie sich mit dem Münchner Flughafen als konkretem Anwendungsfall beschäftigen.

Bei dem im Münchener Flughafen angewandten System handelt es sich um eine Technologie des bayerischen Bauunternehmens Bögl. Dieses entwickelte die Transrapidtechnologie in China weiter, jedoch nicht als Höchstgeschwindigkeitszug, sondern als People-Mover-System, das im Nahverkehr Einsatz findet. Entstanden ist das Transport-System-Bögl, kurz TSB, das ein Gesamtsystem aus einem Guss darstellt – Fahrweg, Fahrzeug und Betriebstechnik. Anders als beim Transrapid umfasst beim TSB nicht mehr das Fahrzeug den Fahrweg, sondern der Fahrweg das Fahrzeug. Somit sind die Fahrzeuge leiser, da Geräusche, die durch Luftwirbel entstehen, in den betonierten Trassenkörper geleitet werden. Auch die Gefahr, dass die Gleise einfrieren, wird deutlich minimiert. Das Zulassungsverfahren als Personenbeförderungssystem in Deutschland läuft derzeit noch beim Eisenbahnbundesamt.

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