Position
Berlin – 02. Oktober 2019
Gretas Herzblut-Auftritt vor der Uno und die vernichtende Kritik an den Klimaplänen der Bundesregierung erschrecken: Radikalität allein ist ein schlechter Wegbereiter für die Verkehrswende.
Während die Wissenschaft regelmäßig Wasserstandsmeldungen zum steigenden Meeresspiegel liefert und diese mit dramatischen Informationen zu bröckelnden Alpen, Klimakatastrophen und auftauenden Permafrostböden garniert, beruhigt sich die Politik damit, dass sie immer höhere Milliardenbeträge „bereitstellt”. Ob das Geld am Ende und über die Jahre wirklich da ist und fließt? Wenn ja, gut so, denn über den Nachholbedarf für grüne Mobilität gerade im Verkehrssektor muss wohl nicht mehr diskutiert werden.
Es geht immer nur ums Geld
Doch selbst wenn die angekündigten aufgestockten Beträge etwa für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz oder für die Bahn-Infrastruktur regelmäßig zur Verfügung stehen, ist das noch kein Garant für die Verkehrs-, die Energie- und die Klimawende. Machen wir uns nichts vor: Das Bewusstsein für eine durch und durch ökologische Mobilität ist bei uns nicht – noch nicht? – in den Köpfen angekommen, weder bei den Entscheidern noch beim Bürger. Da helfen keine noch so empört vorgetragenen Schuldzuweisungen. Es geht immer nur ums Geld, und dann soll es nicht weh tun: Wird das Benzin teurer, wird die Pendlerpauschale erhöht. Darin steckt keine Intelligenz für den Klimaschutz, es zementiert eher die Auto-Mobilität. Sie mag elektrisch werden, doch das löst kein Stau-Problem. Wo sind die Visionen von autofreien Innenstädten mit attraktiven Flaniermeilen, die statt Parkplätzen urbane Lebensqualität bieten? Wo sind Ansätze für eine umfassende „Mobilität as a service”, die via App individuelle und öffentliche Transportmittel zu einem Ganzen verbindet und auf diese Weise ihre Kunden überzeugt? Sie werden außerhalb der Fachgremien nicht einmal diskutiert.
Gute Beispiele vor der Haustür
Die Politik muss im Bund, bei den Ländern und in den Kommunen viel intensiver über Maßnahmen für nachhaltige Mobilität nachdenken, Konzepte entwickeln und Rahmenbedingungen setzen, wie die Mobilität 2030, 2050 aussehen soll. Gute Beispiele, wie so etwas geht, gibt es praktisch vor der Haustür. Zürich und Wien verfügen über weithin perfekte Nahverkehrssysteme. Die sind nicht über Nacht entstanden, sondern in beharrlicher Konsequenz, im Jahre langen gezielten Aus- und Aufbau der Angebote, mit reichlich Geld. Entscheidend aber: Grüne Mobilität lebt bei unseren Nachbarn von der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz: Bus- und Bahnfahren ist selbstverständlich, alltäglich. Diese Wende muss in Deutschland erst einmal vollzogen werden. Mit ungeduldigen Hass-Tiraden wird das kaum gelingen.
Über den Autor
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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