Future
Berlin – 18. Oktober 2019
Sehbehinderte Menschen sind in besonderer Weise auf zuverlässige Informationen angewiesen, um ihre Mobilität zu organisieren. Das VWI Verkehrswissenschaftliche Institut hat – gemeinsam mit dem Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart sowie dem Institut für angewandte Sozialwissenschaften des Zentrums für kooperative Forschung der DHBW Stuttgart – eine App geschaffen, die ihnen eine selbstständigere Nutzung des ÖPNV ermöglicht. Dafür gab es 2019 den Deutschen Mobilitätspreis.
Sinn² nennt sich die App. Quadrat oder hoch zwei, weil sie auf dem so genannten Zwei-Sinne-Prinzip basiert. „Von den drei Sinnen Hören, Sehen und Tasten werden immer mindestens zwei angesprochen“, erläutert Stefan Tritschler, Geschäftsführer der VWI Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart GmbH, das Prinzip. Während die meisten Apps gewöhnlich nur visuell funktionieren, spricht Sinn² den Hör- und den Tastsinn an.
Einfache Handhabung
Und das funktioniert so: Die Benutzer-Oberflächen der App sind derart gestaltet, dass sie vom Screenreader des Smartphones gut vorgelesen werden können. Die Nutzerinnen und Nutzer können sich darüber informieren, wo sich die nächste Haltestelle befindet. Sie erhalten Fahrplanauskünfte in Echtzeit, können sich aktuelle Abfahrtszeiten von Haltestellen anzeigen lassen oder sich Fahrplanauskünfte erstellen lassen – etwa vom aktuellen Standort zu einem bestimmten Ziel zu einer bestimmten Zeit. Als speziellen Service für die Zielgruppe sind zudem Kontaktdaten zum Beispiel von der Bahnhofsmission oder Taxi-Unternehmen hinterlegt. Ein taktiles Element sorgt zudem für eine bessere Orientierung unterwegs. Laufen die Nutzer in die gewünschte Richtung, vibriert es. Verzichtet wurde dagegen auf einige Funktionen, die Fahrgastinformations-Apps für Sehende enthalten. Sie machen bei Sinn² schlicht keinen Sinn, da sie für die Zielgruppe keinen Mehrwert bieten, denkt man beispielsweise an kartenbasierte Auskünfte.
Betroffene haben an Sinn²-App mitgearbeitet
Zur Besonderheit der App zählt auch, dass man bei der Entwicklung die Erfahrungen Betroffener eingebunden hat. „Für Menschen ohne Beeinträchtigung des Sehvermögens ist es nicht einfach, sich in die Bedürfnisse der Zielgruppe hineinzudenken“, schildert Tritschler eine zentrale Herausforderung. „Die Designanforderungen dieser Zielgruppe stehen teilweise im direkten Gegensatz zur Gestaltung einer App für sehende Nutzer. Daher war es für den Erfolg des Projektes entscheidend, dass über die gesamte Laufzeit der App-Entwicklung ein enger Kontakt mit der Zielgruppe der Betroffenen bestand. So wurden die verschiedenen Arbeitsstände der App immer wieder gemeinsam getestet und besprochen.“
Echtzeitdaten vom VVS
Aktuell ist Sinn² über den App-Store von Apple erhältlich. Die integrierten Echtzeitdaten decken vorerst lediglich das Gebiet des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) ab. Aber: „Bei Gesprächen mit weiteren Verkehrsverbünden und -unternehmen zeigt sich ein großes Interesse an der App. Teilweise gibt es von diesen bereits eigene Planungen für eine App-Anpassung für Blinde und Sehbehinderte, so dass sie die Ergebnisse der Sinn²-App mit einfließen lassen können“, sagt Stefan Tritschler. Und: „Andere Verbünde sind daran interessiert, die Sinn²-App selbst zukünftig mit Daten zu versorgen.“
Weitere Informationen gibt es hier.
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