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Berlin – 20. März 2020
Vor 125 Jahren nahm im Siegerland der erste mit einem Benzinmotor betriebene Linienbus den Dienst auf. Heute sind im Linienverkehr in Deutschland mehr als 33.000 Busse unterwegs, ein wachsender Anteil davon mit klimaneutralen Elektroantrieben.
Acht Sitzplätze im kutschenähnlichen, verglasten Fahrgastraum, zwei weitere neben dem Fahrer, 15 km/h Durchschnittstempo, angetrieben von einem 5-PS-Motor des Autopioniers Carl Benz aus Mannheim, Kaufpreis: 5.000 Goldmark. Das waren die Daten des Pioniers, der ab 18. März 1895 von Siegen über Weidenau in das Dörfchen Deuz, heute Stadtteil der Gemeinde Netphen, unterwegs war. Eine Erfolgsgeschichte war es nicht unbedingt: Auf zwei Steilstrecken mussten die Fahrgäste zuweilen aussteigen und schieben. Zwar wurde noch ein zweites Fahrzeug beschafft, doch die beiden Benz wurden bereits Ende 1895 ausgemustert. Den Betrieb übernahmen für gut ein Jahrzehnt wie zuvor Pferdeomnibusse und ab 1906 die eigens gebaute Kleinbahn. Die fuhr Personenzüge immerhin bis 1968 – und nach der Stilllegung kam als Nachfolger der Pioniere wieder der moderne Linienbus.
Mobilität für alle – der Omnibus
Trotz der Pleite im Siegerland entwickelten sich mit dem Siegeszug des Autos auch Busse kontinuierlich immer weiter. Der Name „Omnibus" ist Programm: Das lateinische Wort omnibus heißt schlicht nichts anderes als „für alle”. So entwickelten sich mit den wachsenden Mobilitätswünschen der Industrie- und später der Wirtschaftswundergesellschaft immer mehr Techniken und Bus-Typen, und nicht erst seit gestern ist der Linienbus das Rückgrat des Öffentlichen Personennahverkehrs. Die 33.000 Linienbusse befördern einen Großteil jener 10 Millionen Fahrgäste, die tagtäglich mit dem ÖPNV unterwegs sind.
Nachdem der erste Benz noch ein Benziner war, folgten dann später Dieselmotoren als wirtschaftlicher und dank innovativer Technologie auch zunehmend umweltfreundlicher Bus-Antrieb. Nunmehr schlägt die weltweite Klimaschutzpolitik ein neues Kapitel auf: die Elektrifizierung der Busflotten. Das ist eine technologische und eine finanzielle Herausforderung, weiß Ingo Wortmann, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und Chef der Münchner Verkehrsbetriebe MVG: „Wenn wir die Elektrifizierung der Busflotten mit Blick auf Klimaschutzziele und Emissionsminderungen im Verkehr schnell voranbringen wollen, sind Bund und Länder gefordert, ihr finanzielles Engagement deutlich zu erhöhen.”
E-Busse als Zukunftsziel
Insgesamt stehen so für die nächsten drei Jahre rund 450 Millionen Euro an Bundesmitteln zur Verfügung. „Das ist zu wenig, um daraus einen Großteil der rund 33.000 ÖPNV-Linienbusse und auch noch den Umbau der Infrastrukturen zu finanzieren. Ein Elektrobus kostet zwischen 600.000 bis 700.000 Euro, das ist doppelt so teuer wie ein ebenfalls emissionsarmer neuer Dieselbus”, betont Wortmann. Hinzu komme, dass die Verkehrsunternehmen vor gewaltigen Investitionen in ihre Infrastrukturen stünden: „Der Umstieg auf E-Busse endet nicht mit dem Austausch der Fahrzeuge – er vollzieht sich über Jahre. Betriebshöfe, Tankstellen, Netzanschlüsse und Werkstätten müssen um- bzw. neugebaut werden.” So wird die Zahl der in Deutschland fahrenden Elektrobusse in diesem Jahr erst die Tausender-Schwelle erreichen.
Vielfach fehlt den Unternehmen aber die Zeit, denn die Nachfrage nach Linienverkehr steigt in vielen Städten rapide. Wortmann sinnt auf Abhilfe: „Viele unserer Unternehmen stehen jetzt vor der kurzfristigen Herausforderung, ihr Angebot vor Ort ausweiten zu müssen, damit mehr Fahrgäste vom Pkw umsteigen. Das geht aktuell am schnellsten und kostengünstigsten über die Anschaffung von Dieselbussen.“ Klimaschädliche Stinker sind die schon lange nicht mehr: Mit Motoren der Euro-6-Norm erfüllen sie bereits in hohem Maße sämtliche Umweltschutz-Anforderungen. Der Benz aus Siegen, von dem es einen originalgetreuen Nachbau gibt, hätte da kaum eine Chance.
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