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Berlin – 31. März 2021
Der in Corona-Zeiten stark gewachsene Online-Handel lässt die Fahrzeugflotten für die Paketauslieferung immer größer werden. Das passt nicht in Konzepte, die Städte mit weniger Autoblech lebenswerter zu machen. In ersten Modellversuchen wird überlegt, den ÖPNV stärker in die innerstädtische Verteil-Logistik einzubinden.
„Innerstädtischer Warenverkehr: Effizient und umweltfreundlich liefern” – unter dieser Überschrift diskutierte eine Expertenrunde kürzlich auf dem „Bündnis-Tag” des NRW-Verkehrsministeriums Mittel und Wege im Umgang mit der Sendungsflut. Da zeigte sich schnell, dass das Problem gleichermaßen komplex wie kompliziert ist – und dass die Vorstellungen schnell weit auseinander gehen. Andrea Blome beispielsweise, langjährige Verkehrsdezernentin und seit Ende März Stadtdirektorin der Stadt Köln, will „Straßen zu Lebensräumen” machen, Lieferzonen und Logistikhubs einrichten und Auslieferungen mit Lastenfahrrädern – „ein wunderbares Mittel” – vornehmen lassen. „Mikrodepots” als Verteilbasis für die letzte Meile bis zum Empfänger hält auch Lars Schulze-Beusingen aus dem Düsseldorfer Ministerium für sinnvoll und verwies auf ein entsprechendes Projekt in Dortmund.
Clemens Beckmann hingegen, Chef des von der DHL unterstützten Start-ups Greenplan, setzt auf „nachhaltige Tourenplanung” seiner Lieferfahrzeuge: Ein spezieller Algorithmus sorge tagesaktuell für eine optimale Kapazitätsauslastung seiner Zustell-Transporter – sogar unter Berücksichtigung der Verkehrslagen. Auf diese Weise gelinge es, den Fahrzeugeinsatz um 45 Prozent zu reduzieren.
Einen großen Schritt in die Praxis visiert das Verbundprojekt LogIKTram in Karlsruhe an, wobei es nicht nur um innerstädtische Logistik, sondern auch die Anbindung des Umlandes geht. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), das FZI Forschungszentrum Informatik und weitere Partner haben sich das anspruchsvolle Ziel gesetzt, ein Fahrzeug-technisches und logistisches Konzept für eine „Gütertram“ auf der Basis der Karlsruher Zweisystem-Stadtbahn zu entwickeln. Eingebunden ist das Projekt in eine Gesamtinitiative „regioKArgo”, deren Partner neue Formen der Verkehrsträger übergreifenden Warenladungs- und Lieferverkehrs erforschen und umsetzen wollen.
Ein älteres AVG-Straßenbahnfahrzeug soll nun für den sicheren Transport von Paketen um- und ausgerüstet werden. Nach ersten Testrunden auf Betriebshöfen sind auch Fahrten im weit gespannten Netz der Stadtbahn- und Eisenbahnstrecken („Karlsruher Modell”) vorgesehen. „Die vorhandene Infrastruktur des ‚Karlsruher Modells‘ bietet optimale Voraussetzungen, um neue Formen des Gütertransports zu entwickeln und in der Praxis zu erproben“, sagt Ascan Egerer, technischer Geschäftsführer der AVG.
Untersucht werden müssen zahlreiche Fragestellungen von der IT bis zu praktischen Dingen: Wie und wo Be- und Entladungen stattfinden und wie der weitere Weg der Sendungen organisiert werden kann. Vom Lastenfahrrad bis zum autonomen, elektrischen Kleinfahrzeug reicht die Fantasie. Wichtig ist auch, dass die Güterbahnen den Personenverkehr nicht aufhalten. Den Beteiligten ist klar, dass ein Aus- und Einladen der Transportbehälter so schnell gehen muss wie der typische Fahrgastwechsel.
Auch die Hamburger Hochbahn beteiligt sich an einem innerstädtischen Logistikprojekt in der Hansestadt. Dort wollen Rewe, Hermes, UPS und die Deutschen Post die Warenzustellung an Kunden in der Hamburger Altstadt gemeinsam organisieren. Das Mikrodepot für Warenlogistik wird von der Hochbahn geführt. Hochbahn-Vorstandschef Henrik Falk: „Das ist ein sehr spannendes und neues Handlungsfeld. Als neutraler Anbieter der Flächen für das Depot bringen wir nicht nur verschiedene Dienstleister zusammen, sondern bauen vor allem Partnerschaften für die urbane Logistik auf.” Perspektivisch wolle man schauen, welche Rolle die Bahn-Infrastruktur der Hochbahn dabei künftig spielen könnte.
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