Position
Berlin – 27. Juli 2022
5.000 Linienbusse könnten bald elektrisch fahren. Klingt viel, ist aber zu wenig: 30.000 sind vorerst weiter mit Dieselantrieb unterwegs. Während sich die Klimakatastrophen häufen, äußert sich in der Politik der Wille zur konsequenten Mobilitätswende häufig nur spärlich.
Die 13. E-Buskonferenz des VDV kürzlich in Berlin war umfangreich wie keine ihrer Vorgängerinnen. Weit über 700 Teilnehmer, eine Flut von Fachvorträgen und Diskussionsrunden, eine Branchenmesse mit der Präsentation von 19 E-Bussen. Auf den ersten Blick scheint diese Welt in Ordnung: Die Elektrifizierung des ÖPNV auf der Straße kommt voran. Doch die Verkehrsunternehmen machen sich Sorgen um die Finanzierung der Transformation zum emissionsfreien Bus. Von Ministern und Behörden wird vielstimmig mehr Kraft und Kontinuität zum weiteren Ausbau des klimafreundlichen öffentlichen Verkehrs gefordert.
Ein Detail erhellt das wie ein Schlaglicht: Zwar hat das Bundesverkehrsministerium in den letzten Monaten 2.900 Förderbescheide an die Branche zur Millionen-Finanzierung von Batterie- und Brennstoffzellenbussen erteilt. Doch die Nachfrage in der Branche ist weitaus größer, wie die Zahl 5.000 zeigt. Ihr sitzt mit der „Clean-Vehicles”-Richtlinie die EU im Nacken, die auf die schnelle Abschaffung der Dieselbusse drängt. Das hat auch die Bundespolitik zunehmend verstanden.
Elektrifizierung bringt Dekarbonisierung: Das ist eigentlich eine ganz klare Sache pro Klimaschutz. Bei der E-Busförderung geht es nicht in erster Linie darum, den Verkehrsbetrieben schicke, neue Fahrzeuge in die Betriebshöfe zu stellen. Vielmehr sollen sie in die Lage versetzt werden, emissionsfreien ÖPNV zu betreiben – zum Nutzen von uns allen, zum Abbremsen der Erderwärmung.
Mit einem 1:1-Austausch D-Bus gegen E-Bus ist es dabei nicht getan. Im Autofahrerstaat Deutschland muss das Angebot für den Kunden spürbar besser werden, ein höheres Niveau erreichen: Mehr Linien, dichtere Takte – so wird das Umsteigen in Bus und Bahn selbstverständlicher und attraktiver. Der E-Bus ist dafür eine Riesenchance, zügig schon im Laufe dieses Jahrzehnts das ÖPNV-Angebot auszubauen: mit jedem neuen Fahrzeug, das in den Betrieb geht. Eine Chance, aber auch eine Herausforderung. Denn die Unternehmen benötigen mehr Fahrzeuge und mehr technische Infrastruktur und sicherlich auch neue Bedienformen vom fahrerlosen Kleinbus-Roboshuttle, bis zur autonomen Buslinie. Und wie die Diskussionen um das 9-Euro-Ticket zeigen, sind neue, kundengerechte Tariflösungen gefragt. Es gibt kaum jemanden, der ein bundesweit gültiges Klimaticket ablehnt. Dafür braucht es jedoch Tempo. Unter dem Strich wird also weit mehr Steuergeld nötig sein, als in den Förderbescheiden ohnehin schon zusammenkommt.
Doch die Millionen für neue Busse sind nicht etwa ein gnädiger warmer Geldsegen für die Kassen der Verkehrsunternehmen. Sie sind Daseinsvorsorge! Der ein wenig antiquiert anmutende Begriff gewinnt in den Zeiten der Klimakatastrophen an alarmierender, zusätzlicher Bedeutung: Immer wieder müssen wir hilflos zusehen, wie die entfesselten Kräfte der Natur unser Dasein angreifen und längst Menschen und Existenzen vernichten. Politisches Taktieren zwischen Bund und Ländern oder ideologisches Lavieren innerhalb der Ampelkoalition ist da keine Lösung. Es ist eher lebensgefährlich.
ÜBER DEN AUTOR
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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