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Berlin – 12. April 2019
Die Gestaltung einer effizienten, klimafreundlichen und bezahlbaren Mobilität stellt die deutschen Städte vor große Herausforderungen. Bei einem Round Table der F.A.Z. in Frankfurt unter dem Titel „Mobilität findet Stadt“ sprachen Vertreter der Initiative „Deutschland mobil 2030“ Anfang April über den Handlungsbedarf und mögliche Lösungen.
Die Metropolen und Ballungszentren wachsen seit Jahren – und damit auch das Verkehrsaufkommen. Staus, unzureichender Klimaschutz, schlechte Luft, mehr Lärm und erste Fahrverbote sind die Folgen. Das erfordert neue Denkansätze und Konzepte, wie die Akteure aus Verkehrsbranche, Kommunen und Bauindustrie konstatierten. Bei der von Johannes Pennekamp als Ressortleiter Wirtschaftsberichterstattung moderierten Veranstaltung herrschte Einigkeit darüber, dass die Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) einen zentralen Baustein bildet, um eine attraktive, leistungsfähige und umweltfreundliche Mobilität zu gewährleisten. Das geht aber nur mit langfristigen und verlässlichen und planbaren Finanzierungsgrundlagen. Mit der schrittweisen Erhöhung der Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) auf 1 Milliarde Euro bis zum Ende der Legislatur ist ein erster wichtiger Schritt gemacht. Zudem ist eine Lösung für den immensen Erneuerungsbedarf im kommunalen ÖPNV erforderlich, der über das Gesetz nicht gefördert wird. „Es sind auch die Länder gefordert, die vom Bund aus der Umsatzsteuer bereitgestellten Gelder zweckgebunden für verkehrliche Vorhaben einzusetzen“, sagte Ulrich Klaus Becker, Vizepräsident des ADAC. Bislang haben nur Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Berlin eine Zweckbindung beschlossen.
Mit schnellerer Planung zu mehr Akzeptanz
Prof. Knut Ringat, Sprecher der Geschäftsführung des Rhein-Main-Verkehrsverbundes, sieht in der Erhöhung der GVFG-Mittel einen guten Trend. „Die Milliarde muss aber auch ausgegeben werden können. Dafür braucht es Planungs- und Baubeschleunigung.“ Tim-Oliver Müller, Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaft und Recht des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sieht im neuen Planungsbeschleunigungsgesetz des Bundes einen guten Kompromiss, der ganz große Wurf sei aber nicht gelungen. „Gerade bei Ersatzneubauten ist nicht unbedingt ein komplett neues Planfeststellungsverfahren erforderlich. Darüber hinaus gibt es auch auf der EU-Ebene noch viel Optimierungsbedarf. Wir brauchen eine Beschleunigung alleine schon für mehr Akzeptanz bei den Menschen.“ Die Verfahrensdauer sei zudem zu lang, wie Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, betonte. „Es muss ausgeschlossen werden, dass Menschen den Rechtsweg missbrauchen, um Projekte zu verhindern.“
Neue Konzepte und Plattformen schaffen
Neben mehr Geld und einer schnelleren Umsetzung bilden eine veränderte Stadtplanung sowie attraktive Konzepte einen Schlüssel, um mehr Menschen für den Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen. „Wir müssen Wohnen, Arbeit und Verkehr in Einklang bringen“, mahnte Ralf Spiegler, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm und Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. „Früher ist der ÖPNV bei der Erschließung neuer Stadtteile nicht ausreichend mitgedacht worden, heute ist das anders.“ Zudem arbeiten die Verkehrsverbünde und -unternehmen intensiv an der Integration neuer Angebote als Ergänzung zum klassischen ÖPNV. Ein Beispiel dafür sind die On-Demand-Services, die derzeit vielerorts erprobt werden. Dr. Tom Kirschbaum, Geschäftsführer bei door2door, kooperiert mit Verkehrsunternehmen, um solche innovativen Modelle zu realisieren. Er sagt: „Die Menschen kennen solche Innovationen aus anderen Ländern und wollen sie auch bei uns erleben.“ Nicht jedes Angebot, das auf den deutschen Markt gebracht werden soll, ist aber sinnvoll, wie Stefan Gerwens, Abteilungsleiter Verkehr des ADAC, verdeutlicht: „Wir brauchen einen fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz, es darf keine Rosinenpickerei geben.“ Notwendig sind darüber hinaus gute Plattformen, damit die Nutzung für den Kunden möglichst einfach und sicher ist. An der Schaffung einer bundesweit einheitlichen Plattform arbeitet derzeit die Initiative „Mobility Inside“ des VDV. Auch das 2018 zur Digitalstadt gekürte Darmstadt testet neue technisch Lösungen. „Wir wollen den Verkehr besser steuern und ein On-Demand-Angebot einführen“, erklärt Matthias Kalbfuss, Vorsitzender der Geschäftsführung bei HEAG mobilo. „Der Umbruch im Mobilitätsbereich ist rasant, aber notwendig. Und er setzt neben unserem Engagement die gesellschaftliche Bereitschaft zur Veränderung voraus.“
Eindrücke vom Round Table
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